12 Bimbo

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Bimbo

worin vorkommen:  Rostock, Oranienburg, Fehmarn, Dubrovnik und ich, nein, kein Dreiradler, sondern bitte Kabinenroller!

Ein Roller ist ein Roller. Er hat zu rollen. Rollt. Ein alter Lohner-Roller rollt oft auch nicht. Aber ich, ich rolle immer. Immer, wenn es von mir erwartet wird. Was unter den Modelleisenbahnen die Märklin, das bin ich unter den Rollern. Kann sein, was wolle. Ich rolle.


Wie der alte Lohner habe auch ich nur einen Zylinder. Auf meinem aber steht Heinkel drauf. Daher rolle ich, wann immer es zu rollen gilt. An meiner physikalischen Kraft liegt es wahrscheinlich nicht, obwohl, ich habe eine PS mehr als der Lohner, nämlich sieben! Wer aber seit 1922 Flugzeuge baut und im Dritten Reich einer der wichtigsten Hersteller für die Luftwaffe gewesen ist, der weiß, was einen Motor am Rollen hält, mögen die Voraussetzungen auch ungünstig sein. Wir haben in Rostock und in Oranienburg an ersten Düsenflugzeugen und einem Raketenantrieb gebaut. Zwangsarbeiter und Häftlinge haben uns dabei geholfen. Da war auch die Karriere des Kapellmeisters Ernst Hans Richter noch auf dem aufsteigenden Ast. Nach dem Krieg ist bei dem Sense gewesen. Aber mit uns ist es bald wieder aufwärts gegangen. Ein wenig ziviler halt. In Stuttgart haben wir für Saab einen Dreizylinder gebaut. Und den beliebten Tourist-Roller. Und dann mich. Drei Räder. Das musste auch Maria überzeugen. Seit Freund war sie geradezu fixiert auf drei Räder. Bei mir sind zwei davon vorne angeordnet und das Antriebsrad hinten am Heckmotor. Über dem Motor habe ich noch Platz für einen kleineren, etwas biegsamen Menschen. Die Erfahrung hat aber gezeigt, dass notfalls da hinten auch noch Platz für einen ansehnlichen Hund und das Reisegepäck für drei Personen gefunden werden kann. Davor in der ersten Reihe für zwei Erwachsene nebeneinander. Man steigt in mich von vorne ein. Meine einzige Tür ist gleichzeitig die Frontwand. Öfter als meinesgleichen sieht man auf den Straßen die BMW-Isetta. Gleiches Konzept. Gibt’s auch vierrädrig. Die hinteren beiden sind ganz nah beieinander. Schmutzkonkurrenz.

Für die Richter arbeite ich gerne. Sie nennen mich Bimbo. Der ältere Mann lässt mich in Ruhe. Quält mich nicht. Die junge Frau quält mich manchmal, aber sie quält mich liebevoll. Kümmert sich um mich wie um ihren Sohn. Nie fehlt es mir an Benzin oder Öl. Sonst brauche ich ja nichts. Maria ist eine Fahrkünstlerin. Wer weiß, wo sie das her hat. Flott, aber vorausschauend und verantwortungsbewusst. Sogar einen Holzverschlag habe ich zum Schlafen in der Nähe der Lorenz-Mandl-Straße. Die meisten anderen Fahrzeuge stehen das ganze Jahr auf der Straße. Vor dem Sohn habe ich Schiss. Der darf noch lang nicht lenken. Sollte es aber einmal so weit sein, was wird der bloß mit mir anstellen? Pfeift sich nichts. Putzt mich zwar gelegentlich, aber dann, wenn niemand dabei ist, fährt er mich den unebenen Feldweg vor dem Holzverschlag auf und ab und kann dabei, absichtlich oder nicht, ziemlich grob werden. Wenigstens weiß ich danach die sanfte Fahrweise Marias noch besser zu schätzen.


Sie verwenden mich beileibe nicht nur für Stadtfahrten oder kleine Ausflüge. Nein, ich bin auch Reiselimousine. Mit Rainer und Bambi waren wir in Italien und Deutschland. Dort auch mehrmals mit Tino und Maria allein, bis hinauf ins dänische Fehmarn und hinunter nach Dubrovnik. Liegengeblieben bin ich nie. 

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